Facilitation: "The power of a group with a leader in every chair"
Facilitation hat seinen Ursprung in den USA und kann am ehesten mit „erleichtern“ übersetzt werden. Im Sinne einer professionellen Begleitung von Dialog- und Lernprozessen werden in offenen Denkräumen Potenziale der Gruppe identifiziert und für Lösungen nutzbar gemacht.
Unser Trainer David Holzer, Diplom-Psychologe und Sportwissenschaftler erläutert, warum jede Führungskraft diese Methode kennen und einsetzen sollte.
Herr Holzer, beim schnellen Lesen der Definition zu Facilitation könnte man meinen, es handle sich um alten Wein in neuen Schläuchen: moderierte, strukturierte Gesprächsführung. Was hebt Facilitation von der Moderation ab?
David Holzer: Wer als Facilitator wirkt, ist viel mehr als ein Moderator. Facilitatoren sind eine Art Teilchenbeschleuniger in wandelresistenten Umfeldern. Ähnlich wie ein Katalysator schaffen sie einen lösungsorientierten Handlungsrahmen, der es anderen ermöglicht, über ihren Grenzen hinaus zu denken, Zusammenhänge besser zu verstehen und wirksam danach zu handeln. Facilitation – alter Wein in neuen Schläuchen? Mitnichten. Vielmehr kommen die Synergien und Wirkfaktoren von Facilitation in einer Zeit, in der uns Komplexität und Schnelllebigkeit immer weiter voneinander entfernen, gerade rechtzeitig, um Menschen durch vernetztes Denken wieder miteinander zu verbinden.
Im Kontext der Organisations- und Kulturentwicklung vertritt Facilitation eine sich weltweit verbreitende Führungsphilosophie, die zugunsten von Partizipation, Vielfalt, Selbststeuerung und Organisationslernen weitestgehend auf direktive (Führungs-)Elemente verzichtet.
Sie arbeiten seit vielen Jahren mit einem großen Repertoire an Methoden und Werkzeugen. Was genau begeistert Sie an der Methode Facilitation?
David Holzer: Facilitation ist weit mehr als eine Methode; sie steht für eine Haltung. Die reine Beschränkung auf methodisch-didaktische Geschicke würde der Intention von Facilitation nicht gerecht werden. Als Facilitator wirken zu können, begeistert mich auf unterschiedlichen Ebenen:
Persönlich erfahre ich für mich im Vergleich zu Auftritten als Trainer oder Moderator einen hohen Grad an Handlungsökonomie im Sinne mentaler Entlastung für beide Seiten. Die integrale Aufgabe eines Facilitator ist es, die Weisheit der Vielen durch einen kreativen Rahmen methodisch-didaktisch zu Tage zu fördern, und wenn Eigendynamik entsteht, im richtigen Moment aus dem Weg zu gehen, damit diese ihre eigenen Lösungswelten ohne mein Zutun eigenverantwortlich gestalten kann.
Ganz sicher bedarf es dafür Intuition und Fingerspitzengefühl für die Situation. Die eigentliche Arbeit geschieht jedoch unabhängig von mir, weil ich auf den durch die gewählten Methoden sich entwickelnden (Interaktions-)Prozess forciere und der Bildung von vertrauensvoller Gemeinschaft allen erforderlichen Raum schenke.
Gelingt es dem Facilitator durch die Wertschätzung von Vielfalt und Partizipation bereichsübergreifende, offene Dialoge zu eröffnen und damit synchrone Denk- und Entwicklungssprünge zu ermöglichen, entstehen fast immer neue, ungeahnte Lösungsräume. Mithilfe kollektiver Intelligenz beginnt ein System, synergetisch und grenzübergreifend zu denken – die Voraussetzung für echte Innovation ist geschaffen und wird für jeden der Anwesenden sichtbar und spürbar.
In welchen Situationen raten Sie zum Einsatz von Facilitation?
David Holzer: Ich möchte Ihre Frage gerne mit einem Zitat von Margaret Wheatley, einer US-amerikanischen Autorin, die sich dafür einsetzt, Organisationen zu schaffen, die der menschlichen Besiedlung würdig sind, beantworten: „Was auch immer das Problem sein mag, Gemeinschaft ist die Lösung.“ Ganz gleich, ob Teambuilding, Strategiemeeting oder Trainings im Kontext von Leadership oder Change – die konsequente Anwendung facilitativer oder vielmehr co-kreativer Ansätze leisten überall dort einen wirksamen Beitrag, wo Komplexitätsreduktion zu kurz greift und vielmehr das Erkennen und Verstehen von Zusammenhängen erforderlich ist.
Facilitation initiiert das Denken und Handeln in Netzwerken und schafft somit eine Fähigkeit zum Durchblick, nicht zuletzt, weil wir nur dann unser Wissen produktiv und nutzbar für alle machen können, wenn wir lernen, sowohl den Wald als auch den einzelnen Baum zu sehen.
Voraussetzung für die gerade beschriebene Kontextkompetenz ist jedoch, dass sich die Anwender auf Prinzipien wie Ergebnisoffenheit, die Selbstermächtigung der Teilnehmer, die Integration diverser Perspektiven (Augenhöhe) und die konsequente Orientierung an Ressourcen einlassen.
Facilitation ist in meinen Augen weniger situationsabhängig als vielmehr das neue Paradigma für eine ressourcenorientierte Handlungsfähigkeit (agiler) Organisationen – ganz im Sinne von: The power of a group with a leader in every chair.
Vielen Dank für das Gespräch!
Bei Fragen zu aktuellen Weiterbildungen im Themenbereich Facilitation berät Sie gern Bettina Winter: b.winter@ard-zdf-medienakademie.de.
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