Nachhaltige Programmverbreitung
Die Digitalisierung und die Klimakrise sind zwei Prozesse die parallel laufen und miteinander verschränkt sind, denn unser digitaler Medienkonsum trägt zu den Emissionen bei, die unser Klima belasten. Ein Gespräch über Nachhaltigkeit in der Programmverbreitung mit unserem Experten Martin Kaiser.
Die Verbreitung von Inhalten über das Internet boomt, was auch an unserem Nutzungsverhalten liegt. Warum ist Streaming ökologisch betrachtet so wenig nachhaltig?
Martin Kaiser: Jede Anforderung eines Medienangebots von einem Server – sei es ein Live-Stream oder ein Angebot aus einer Mediathek – stellt eine Datenverbindung zwischen dem Endgerät und dem Server her. In der Übertragungskette müssen dafür Ressourcen aktiviert werden, die den Stromverbrauch erhöhen. Mögen es auch kleine Leistungen in den Einzelkomponenten sein, so können sie sich jedoch zu beträchtlichen Summen addieren. Eine, im Juni 2021 veröffentlichte Studie des „Carbon Trust“, einer Kooperation namhafter Medienunternehmen mit der Industrie kam zu der Erkenntnis, dass eine Stunde Videostreaming etwa 55 g CO2e produziert. Das entspricht der Emission eines Durchschnitts-PKW auf einer Fahrstrecke von 250 m. Wobei jedoch der Hauptanteil des Energieverbrauchs von den Endgeräten produziert wird.
Eine Stunde Videostreaming erzeugt eine CO2-Last wie 250 Meter Auto fahren
Streaming ist nur ein Verbreitungsweg. Welche Einsparpotentiale gibt es in den verschiedenen Bereichen der Programmverbreitung?
Martin Kaiser: Langfristige Einsparpotentiale gibt es bei der Reduzierung simultaner Verbreitungswege. So werden zum Beispiel Hörfunkprogramme aktuell über UKW und DAB+ verbreitet. Während für jedes UKW-Programm eine eigene Frequenz benötigt wird, können in DAB+ mehrere Programme dieselbe Frequenz nutzen. Alle UKW-Hörfunkprogramme der ARD sowie weitere Spartenprogramme können bereits über DAB+ empfangen werden. Die Programmverbreitung über leistungsstarke Mittelwellen- und Kurzwellensender wurde bereits vor einigen Jahren eingestellt. In der Satellitenverbreitung der Fernsehprogramme ist die Einstellung der SDTV-Programme aus finanziellen Gründen in Sicht. Sie würde aber nur zu einem geringen Teil zur einer CO2-Reduzierung beitragen.
Welche Maßnahmen für mehr Nachhaltigkeit unternehmen die Sender bereits und welche werden in Zukunft an Bedeutung gewinnen?
Martin Kaiser: Die terrestrischen Sender wurden und werden mit Verstärkern nach dem Doherty-Prinzip umgerüstet. Es ist ein altes Verfahren, welches die Energieeffizienz bedeutend erhöht. Außerdem verbessern Senderhersteller kontinuierlich die Effizienz ihrer Systeme. In der Programmzuführung zu den Sendestandorten verlagert sich die Frage der Nachhaltigkeit in die IT. Sowohl dort, als auch bei den Sendeanlagen sollen durch moderne Technologien die Energieverluste durch Wärme minimiert werden, was wiederum den Aufwand für die Klimaanlagen reduziert. Eine weitere Maßnahme könnte die Energiegewinnung durch Photovoltaik-Anlagen an den Senderstandorten sein. Vereinzelte Planungen laufen bereits.
Neben unserem Nutzungsverhalten und der Art der Programmverbreitung – welche Rolle spielen Gerätehersteller bei dem Thema?
Martin Kaiser: Wie erwähnt, wird der größte Anteil des CO2-Verbrauchs beim Streaming durch die Endgeräte erzeugt. Deswegen besteht hier das größte Potential für nachhaltigen Medienkonsum. Durch eine Neubewertung der Energie-Effizienzklassen seit März 2021 – man erkennt sie an den entsprechenden Labels auf den Geräten – werden einerseits Display-Hersteller angespornt, noch effizientere Technologien zu entwickeln, andererseits die Awareness bei den Nutzern für einen nachhaltigeren Konsum geweckt.
Vielen Dank für das Gespräch.
Bei Fragen zum Thema Programmverbreitung berät Sie gern Martin Kaiser: m.kaiser@ard-zdf-medienakademie.de.
Wir entwickeln derzeit ein eigenes Portfolio zur Nachhaltigkeits-Thematik. Bereits jetzt gibt es Weiterbildungen im Programm, die nachhaltiges Wirken in Unternehmen und Rundfunkanstalten unterstützen. Sprechen Sie uns gern an.
Autor: Sven Dütz
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