„Transformation braucht Zeit“
Veränderungen sind anstrengend und mit vielen Unsicherheiten verbunden. Was eine Change Story leistet, warum der Faktor Zeit bei Transformationen so wichtig ist, und was die Veränderungsformel über eine Organisation aussagt, erklärt unsere Trainerin Anja Zimmermann.
Was ist eine Change Story und wofür braucht man sie?
Anja Zimmermann: Stellen Sie sich vor, Sie sitzen in einem Besprechungsraum und es gibt eine Folienschlacht mit vielen Zahlen, Zielen und vernünftigen Begründungen, warum eine Veränderung notwendig ist. Spätestens nach der 10. Folie steigen die meisten aus und sind mit ihren Gedanken woanders. Eine echte Begeisterung für die anstehende Veränderung kann so nicht erzeugt werden, denn es wird keine Emotion angesprochen.
Wie geht es besser? Wir Menschen lieben Geschichten. Über Geschichten können wir Botschaften vermitteln und Emotionen erzeugen. Und mit Emotionen schaffen wir Aufmerksamkeit.
Was ist also eine Change Story? Eine Change Story ist eine gute Geschichte, die das Wofür, das Wie und das Was für eine Veränderung vermittelt. Sie erzeugt Emotion, Motivation und Zusammenhalt. Eine gute Change Story zu entwickeln, braucht Zeit. Und Sie braucht die notwendigen Informationen zum Veränderungsprozess, ein attraktives Bild von der angestrebten, veränderten Zukunft sowie die motivierende Notwendigkeit für die Veränderung.
Warum spielen Haltung und Kultur überhaupt eine Rolle, wenn z.B. neue Geschäftsprozesse eingeführt oder IT-Dienste verändert werden?
Anja Zimmermann: In meinen Seminaren nehme ich immer das Beispiel „Lob“. Die/der Chef*in agierte bisher immer nach dem Motto „Nicht gemeckert ist Lob genug.“ Nun lernt er/sie in einem Führungskräfteseminar, dass man loben soll, und in welchen Schritten das Lob ausgesprochen wird. Für die nächsten zwei Wochen läuft er/sie durch die Büros und lobt. Das Lob ist mechanisch, hat keine Substanz und wirkt auf die Mitarbeiter*innen blutleer, vielleicht sogar unglaubwürdig. Nach zwei Wochen ist Schluss, denn dann ist wieder Alltagsgeschäft: Die Zahlen werden immer noch nicht erfüllt, und die Mitarbeiter*innen folgen nicht den konkreten Vorgaben.
Die Situation ist vielleicht ein bisschen überspritzt dargestellt, beschreibt aber ganz gut, warum für jede Veränderung auch immer die Haltungs- und Kulturfrage zu stellen ist. In unserem Beispiel ist die Haltung der Führungskraft eher von geringer Wertschätzung und Misstrauen geprägt. Das heißt, die Anerkennung wird nicht mit der Haltung von Stärken-Orientierung und Mitarbeitenden-Förderung ausgesprochen, sondern eher mit der Haltung „Wenn ich zu viel lobe, wollen die nachher noch mehr Geld.“
Bei einer Veränderung von Strukturen, Prozessen oder Arbeitsweisen muss ich verstehen, welche Grundhaltung, welche Kultur damit verbunden ist. Mit der Veränderung der äußeren Struktur muss auch immer die Veränderung der inneren Struktur, also der Haltung und der Kultur, mitgedacht werden. Sonst bleibt die Veränderung blutleer und von kurzer Dauer, wie das Lob der Führungskraft.
Welche Aspekte kommen Ihrer Erfahrung nach in Transformationsprozessen zu kurz?
Anja Zimmermann: Transformation bedeutet eine tiefgreifende Veränderung. Deshalb sprechen wir beispielsweise von der digitalen Transformation, denn durch die Digitalisierung wird unsere Zusammenarbeit, unsere Kommunikation, unsere Führungsarbeit – kurz: unsere gesamte Organisationsstruktur grundlegend verändert.
Transformation geht nicht von einem Monat auf den anderen. Transformation braucht Zeit. Das ist nach meinen Erfahrungen einer der wichtigsten Faktoren in der Gestaltung von Transformationsprozessen. Die Transformation selbst braucht Zeit, wie auch das Transformationsprojekt: Zeit für die Gestaltung des Prozesses, für die Kommunikation, für das Zuhören, Beteiligen, Unterstützen etc. Viel zu oft höre ich: „Dafür haben wir keine Zeit.“ Ein Grund, warum Transformationsprozesse oftmals scheitern.
Natürlich gibt es noch weitere Aspekte, die in Transformationsprozessen zu kurz kommen; die sogenannte Veränderungsformel gibt hier Hinweise. Sie rät zu einer Vision, einem Plan beziehungsweise einem Vorgehen und einem Grad an Unzufriedenheit mit der aktuellen Situation. Anhand dieser Formel kann analysiert werden, wo die Organisation in der Veränderung steht.
Wie unterstützt das Seminar "Veränderung gestalten – Change Story, Haltung und Kultur" dies besser zu machen?
Anja Zimmermann: Natürlich stelle ich in diesem Seminar viele Methoden, Werkzeuge und Ideen für die Gestaltung von Veränderungsprozessen vor. Mindestens genauso wichtig ist es für mich, mit den Teilnehmer*innen ein Verständnis für die menschlichen Bedürfnisse in Veränderungsprozessen zu erarbeiten wie Angst, Widerstand oder Rückzug. Aber es geht nicht darum, diese Reaktionen zu vermeiden oder zu verurteilen. Es geht darum, sie zu verstehen, um im Veränderungsprozess darauf zu reagieren und die Menschen ehrlich zu beteiligen.
Insofern reflektieren wir in diesem Seminar viel über eigene Veränderungserfahrungen, über die Veränderungsgeschichte der Organisation, die Veränderungskultur und natürlich die Veränderungserfolge sowie die eigenen Stärken und die der Organisation. Das sind Ressourcen, die wir für den Veränderungsprozess nutzen müssen. Daraus werden Change Stories entwickelt.
Und wer meine Seminare besucht hat, weiß, dass es immer bunt ist, viel Austausch, Diskussion und Beteiligung ermöglicht wird. Auf der Agenda steht neben den vielen fachlichen Themen auch immer „Spaß“ mit dem Motto „Haltung schlägt Tool“.
Viele Dank für das Gespräch.
Autor: Sven Dütz
Potenziale heben: Vielfalt statt Geschlechterklischees
Deepfakes entlarven
Veränderung gestalten – Change Story, Haltung und Kultur
Die Veränderung ist unser täglicher Begleiter. In unserer dynamischen, komplexen und unsicheren Zeit gehören die kontinuierliche Veränderung zu einer der wichtigsten Anforderungen an Menschen und Organisationen. Digitalisierung, demographischer Wandel, Klima und die weltweiten Ereignisse zwingen ...
SEMINARINFO